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Element: Selbstwahrnehmung

Die Förderung der Selbstwahrnehmung spielt eine zentrale Rolle sowohl für Sie als Lehrkraft als auch für Ihre Schülerinnen und Schüler. Durch das bewusste Erkennen eigener emotionaler Zustände und das Verstehen der Gründe hinter unseren Reaktionen können wir gezielt geeignete Bewältigungsstrategien wählen. Dieses tiefgreifende Verständnis innerer Prozesse ermöglicht es uns, rechtzeitig auf emotionale Herausforderungen zu reagieren und die Fähigkeit zu entwickeln, aktiv und vorausschauend mit Gefühlen umzugehen.

Achtsamkeit als Fundament

Achtsamkeit ist ein wertvolles Werkzeug im Bildungskontext, das die Selbstwahrnehmung fördert. Dieser Ansatz, ursprünglich aus östlichen Traditionen stammend, hat sich in der modernen Pädagogik fest etabliert. Die wissenschaftliche Forschung bestätigt die Wirksamkeit von Achtsamkeit als Methode zur Reduzierung von Stress und zur Steigerung des emotionalen Wohlbefindens.

Weltweit belegen Projekte wie das schwedische Modell in Uppsala, „Dot-be“ in Großbritannien, „Mindful Schools“ in den USA und das Pilotprojekt der Universität Leipzig „Achtsamkeit in Bildung und Hochschule“ den Nutzen von Achtsamkeitsprogrammen. Diese und weitere Initiativen und Forschungen (AISCHU, MAID) haben gezeigt, dass Achtsamkeit die Lernleistung und die psychische Gesundheit der Schülerinnen und Schüler signifikant verbessert und zu einem förderlichen Lernumfeld beiträgt.

Indem Sie als Lehrkraft Achtsamkeit praktizieren und in Ihren Unterricht integrieren, schaffen Sie nicht nur eine ruhige und konzentrierte Lernatmosphäre, sondern stärken auch Ihre eigene Resilienz und Ihr emotionales Wohlbefinden. Dies ermöglicht es Ihnen, auch in stressigen Situationen gelassen und handlungsfähig zu bleiben, was sich positiv auf Ihre Beziehung zu den Schülern und die gesamte Lernumgebung auswirkt.

Die Selbstwahrnehmung ist die entscheidende Vorraussetzung für die Selbstregulation, da sie uns ermöglicht, unsere emotionalen und körperlichen Zustände zu erkennen um bewusst darauf zu reagieren.

In unserer BeSOS Schiffsmetapher steht die Seekarte für die Kenntnis und Wahrnehmung unserer inneren Gefühlswelt. Sie bildet die Grundlage für jede Entscheidung an Bord. Nur wer sich seiner aktuellen emotionalen Lage bewusst ist, kann das Steuer in die richtige Richtung lenken, das Segel optimal setzen oder bei Bedarf Hilfe anfordern – oder überhaupt erst bemerken, dass er oder sie nicht an Deck, sondern im Schiffsinneren (Überlebensmodus) festsitzt.

Oder anders formuliert: Jede kluge Lebensentscheidung beginnt mit der Reflexion der eigenen Emotionen und Bedürfnisse.

Die eigenen Gefühle wahrnehmen und unterscheiden

Für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler ist die Fähigkeit, mit den eigenen Gefühlen umzugehen, grundlegend. Es beginnt mit der Wahrnehmung dieser Gefühle: sie zu lokalisieren, zu beschreiben und zu benennen. Ein profundes Verständnis Ihrer eigenen emotionalen Landschaft – zu wissen, wo und wie Sie Gefühle körperlich empfinden und wie Sie sie voneinander unterscheiden können – ist essenziell, um bewusst darauf reagieren und Ihr emotionales Wohlbefinden aktiv steuern zu können.

In der heutigen Gesellschaft wird die Auseinandersetzung mit der inneren Welt oft vernachlässigt, der Schwerpunkt liegt auf äußeren und rationalen Aspekten, während die emotionale Selbstwahrnehmung zu kurz kommt. Dies kann die Entwicklung eines umfassenden Verständnisses unserer emotionalen Reaktionen behindern und den effektiven Umgang damit erschweren.

Es ist auch wichtig, Gefühle von emotionalen Zuständen wie Ohnmacht abzugrenzen. Gefühle sind direkte emotionale Reaktionen, die flüchtig sind und benannt werden können.

Zustände wie Ohnmacht hingegen sind anhaltend und beeinflussen unsere gesamte Befindlichkeit und Handlungsfähigkeit. Sie entwickeln sich oft als Antwort auf wiederkehrende oder intensive emotionale Erlebnisse.

Für Ihre Schülerinnen und Schüler ist es entscheidend, ein tiefes Verständnis für eine Vielzahl von emotionalen Reaktionen zu entwickeln – aber auch bei sich selbst. Hierzu zählen spezifische Emotionen wie Rage, Zorn, Scham durch Entwürdigung, Angst, das Fehlen von Freude und Hilflosigkeit, die alle signifikanten Einfluss auf die Handhabung von Stresssituationen haben und das Lernumfeld prägen.

Indem Sie Ihre Schülerinnen und Schüler unterstützen, diese Emotionen zu erkennen und zu benennen, fördern Sie deren emotionale Intelligenz und schaffen eine Basis für eine gesunde emotionale Entwicklung:

Rage & Zorn

Rage und Zorn sind intensivierte Formen der Wut, die als Reaktion auf Ungerechtigkeit entstehen können. Im Klassenzimmer können solche Gefühle sowohl bei Schülern als auch bei Lehrkräften auftreten und erfordern bewusste Strategien zur Bewältigung.

Scham

Scham kann das Selbstwertgefühl tiefgehend beeinträchtigen, besonders wenn sie durch Entwürdigung entsteht. Es ist Ihre Aufgabe, eine Umgebung zu schaffen, die gleichsam Scham minimiert und Empathie sowie Akzeptanz fördert.

Angst

Angst ist ein häufiger Gast im Schulalltag, der sowohl Lernende als auch Lehrende betrifft. Ein Bewusstsein für die Ursachen von Angst und angemessene Reaktionsweisen kann helfen, ein unterstützendes Klima zu etablieren.

Das Fehlen von Freude

Das Fehlen von Freude kann ein Hinweis darauf sein, dass die Motivation oder das Engagement im Klassenzimmer abnehmen. Es ist wichtig, Lernaktivitäten so zu gestalten, dass sie Freude und Interesse wecken.

Hilflosigkeit

Hilflosigkeit untergräbt das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Lehrkräfte sollten darauf achten, Schülern zu zeigen, dass ihre Handlungen bedeutsam sind und sie ihre Situation aktiv beeinflussen können.

Das Bewusstsein und die Fähigkeit, diese Emotionen zu identifizieren, anzusprechen und zu regulieren, sind essenziell, um den Überlebensmodus zu verlassen und ein produktives Lernumfeld zu schaffen. Es ermöglicht uns, proaktiv zu handeln und eine Klassenzimmeratmosphäre zu fördern, in der sich alle sicher und verstanden fühlen. 

Unterscheidung: Wann bin ich im Überlebensmodus? 

Das eigene Körpergefühl als Anzeiger

Indem Lehrkräfte und Schüler ein tiefes Verständnis für ihren eigenen emotionalen Zustand entwickeln, lernen sie, ihre Gefühle zu erkennen und zu benennen und die eigenen individuellen Körpersignale zu verstehen. Dies erhöht den Freiheitsgrad zwischen dem eigenen emotionalen Zustand und der möglichen bewussten Reaktion, was das Spektrum an Regulationsmöglichkeiten und die Selbstwirksamkeitserfahrung erweitert.

Der sogenannte Überlebensmodus muss in seiner Dimension erkundet werden, sodass immer wiederkehrende frühe Anzeichen, die das Erreichen des persönlichen Triggerpunktes wahrscheinlich werden lassen, früher identifiziert werden können. Je eher und feiner körperlicher Stress und Belastung wahrgenommen werden kann, desto leichter fällt auch die Möglichkeit, dagegen zu steuern.

In unserer BeSOS Tool-Box finden Sie hilfreiche Tipps und Methoden zum Einüben und Fördern der Selbstwahrnehmungsfähigkeiten, sodass Ihre Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, ihren Erregungszustand auf einer Skala von 1 bis 10 einzuschätzen und vor Allem das dazugehörige Körpersignal zu spüren.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Kompetenz, insbesondere bei großem Defizit, langsam wächst und etwas Geduld erfordert.

Im nächsten Abschnitt der Selbstregulation erfahren Sie, welche neurobiologischen Möglichkeiten existieren, das Steuerrad des Schiffes optimal zu handhaben.

 

Unser Leseleitfaden

Leseleitfaden

Neurobiologische Grundlagen

Der richtige Startpunkt, um unser BeSOS Modell in all seinen Aspekten kennenzulernen. Insbesondere gehen wir dabei auf die neurobiologischen Vorgänge ein, die uns alle in Belastungssituationen begegnen.

Dieser Beitrag ist gerade geöffnetSchritt 1

Das BeSOS-Modell

In diesem Beitrag geht es darum, wie Sie das BeSOS Modell im Schulalltag anwenden können. Um es Ihnen zu erleichtern mit Ihren Schülerinnen uns Schülern darüber zu sprechen, haben wir dazu maritime Bildmetaphern entwickelt.

Zum BeitragSchritt 2

Element: Selbstwahrnehmung

In diesem Beitrag lernen Sie vertieft das Element der Selbstwahrnehmung kennen, welches eine Grundvorraussetzung gelingender Selbstregulation darstellt.

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