
Mehr als 120 Gäste aus ganz Sachsen und darüber hinaus folgten unserer Einladung zur BeSOS-Fachtagung an der TU Bergakademie Freiberg – darunter Lehrkräfte, Praxisberater, Fachkräfte aus der Inklusion und der Schulsozialarbeit. Auch aus der Berufsberatung der Arbeitsagenturen sowie von Trägern der freien Jugendhilfe konnten wir zahlreiche Teilnehmende begrüßen.
Trotz der Herausforderung, die Veranstaltung an drei verschiedenen Standorten durchzuführen, entwickelte sich eine offene, dialogische und inspirierende Atmosphäre, die den gesamten Tag prägte.
Auftakt mit Haltung & Haltungskraft
Nach der Begrüßung durch Projektleiterin Dr. Kristina Wopat setzte Frau Stephan aus dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus mit einer überaus wertschätzenden und eindringlichen Rede ein klares bildungspolitisches Signal: Selbstregulationsförderung ist kein Nebenthema mehr, sondern eine pädagogische Notwendigkeit.
“Schule soll ein Ort sein, wo Kinder und Jugendliche das Leben lernen, nicht das Überleben.”
Keynote von Prof. Dr. Johannes Buchmann (Leopoldina)
In seiner Keynote betonte Prof. Buchmann, warum Selbstregulationskompetenzen zu einer Leitperspektive des Bildungssystems werden müssen. Er verwies auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, die zeigen:
Selbstregulation umfasst kognitive, emotionale, motivationale und soziale Fähigkeiten, die lebenslanges Lernen und persönliche Entwicklung ermöglichen.
Sie ist eine präventive Ressource gegen psychische Belastung, schulisches Scheitern, Gewalt und Zukunftsängste.
Eine gelingende Förderung braucht sowohl pädagogische Maßnahmen (z. B. achtsamkeitsbasierte, kognitiv-verhaltensorientierte und körperbezogene Methoden) als auch systemische Veränderungen (z. B. Bildungsmonitoring, Förderung benachteiligter Familien).
Die Leopoldina fordert daher eine flächendeckende, evidenzbasierte Implementierung wirksamer Förderstrategien – von der Kita bis zur Sekundarstufe.
Ein hochaktueller Impuls, der eindrucksvoll verdeutlicht, wie tiefgreifend sich unsere pädagogischen Ansätze verändern müssen – wenn wir Kinder und Jugendliche wirklich stärken wollen. Sehen Sie sich weiter unten auf dieser Seite die komplette Keynote an und/oder laden Sie sich die Folien der Präsentation herunter:
Schule im Wandel – am Beispiel der Humboldtschule Zwickau
Ein besonderer Höhepunkt war der Filmbeitrag der Humboldtschule Zwickau, der eindrucksvoll dokumentierte, wie das Schulteam die BeSOS-Toolbox im Rahmen der Pilotphase eingesetzt hat. Offen wurden dabei auch Herausforderungen angesprochen – und gleichzeitig die Potenziale sichtbar gemacht, wenn Schulen beginnen, systematisch Selbstregulationskompetenz zu fördern.
Gemeinsam hat sich die Schulgemeinschaft (sowohl das gesamte Kollegium im multiprofessionellen Team als auch Vertreterinnen und Vertreter der Schülerschaft) auf die Suche gemacht, wie sich die Inhalte von BeSOS in den schulischen Alltag, die Beratung und das Miteinander integrieren lassen – mit Neugier, Offenheit und auch kritischen Fragen.
Vertreterinnen und Vertreter der Schule diskutierten in einer offenen Gesprächsrunde ihre Erfahrungen, begleitet von interessierten Rückfragen aus dem Publikum.
Prof. Buchmann fand im Anschluss nochmals anerkennende Worte für das Engagement der Schule und ordnete die Eindrücke in den wissenschaftlichen Gesamtkontext ein.
Eine Einladung zum Perspektivwechsel und zur offenen Auseinandersetzung mit dem, was gelingen kann, wenn man sich gemeinsam auf den Weg macht.
Austausch im Gallery Walk
Nach einem gemeinsamen Mittagsimbiss versammelten sich die Teilnehmenden im Foyer des ZeHS zum interaktiven Gallery Walk – der sich schnell zu einem lebendigen Ort des Austauschs entwickelte. In offener, ausgesprochen angenehmer Atmosphäre kamen Gäste aus Schule, Beratung und Wissenschaft miteinander ins Gespräch. Die Rückmeldungen zeigten: Viele fanden hier Impulse, Resonanz – und auch Ermutigung.
Zu sehen und erleben gab es unter anderem:
Wissenschaftliche Plakate aus der Projektarbeit
Praxisstimmen und O-Töne auf einer „Wand der Erfahrungen“, die direkt ergänzt werden konnte
Eine Mitmach-Wortwolke, die persönliche Eindrücke sammelte
Die erste Ausgabe der neuen KOWA-Handreichung
Materialien zur Stresspalme zum Mitnehmen
Und die Uraufführung der zweiten Folge der BeSOS-Crew, in der das „Schiff im Sturm“ als anschauliche Metapher für Selbstregulation filmisch erklärt wurde
Ein Format, das zeigt: Austausch braucht Raum – und den richtigen Rahmen.
BeSOS Crew – Episode 2
Sehen Sie hier den “Prototypen” unserer zweiten Folge der BeSOS Crew, welche die Schiffs-Metapher erklärt und verdeutlicht.
BeSOS in einem Wort
Ein besonderes Element des Gallery Walks war die interaktive Mitmach-Wortwolke, die persönliche Eindrücke der Teilnehmenden sammelte. Auf die Frage „Wenn Sie BeSOS mit einem Wort beschreiben müssten?“ konnten Besucherinnen und Besucher live Begriffe über ein Tablet oder Smartphone hinzufügen. Ergänzt wurden die Antworten durch Stimmen aus einer vorab geschalteten Umfrage auf unserer Projektwebseite. So entstand eine lebendige Momentaufnahme – mal nachdenklich, mal humorvoll, aber stets authentisch – darüber, was BeSOS für die Praxis bedeutet.

Projektentwicklung
Ein weiterer Punkt des Gallery Walks war eine digitale Präsentation zur Entwicklung des Projekts BeSOS – mit besonderem Fokus auf die Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern. Der Film zeigt, wie sich BeSOS Schritt für Schritt entfaltet hat und heute als vernetztes, vielschichtiges Vorhaben dasteht. Am Ende wird dies sinnbildlich in einem wachsenden Baum dargestellt – ein Bild für die starke Verzahnung und das gemeinsame Wachstum. Die Präsentation ist als still laufender Überblick gedacht – nicht spektakulär, aber definitiv einen Blick wert.
BeSOS Plakate
Was wäre ein Gallery Walk ohne klassische Infoplakate? Auch die durften natürlich nicht fehlen. Hier finden Sie eine Übersicht zum Nachlesen und Herunterladen.
Workshop 1: Selbstwahrnehmung – Grundlage für Selbstregulation
Unter der Leitung von Antje Wehmeyer erhielten die Teilnehmenden einen praxisnahen Einblick in den ersten Baustein der BeSOS-Toolbox: die Selbstwahrnehmung.
Anhand zweier direkt anwendbarer Methoden wurde aufgezeigt, wie wichtig die bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers und inneren Erlebens für Kinder und Jugendliche – aber auch für pädagogische Fachkräfte selbst – ist. Dabei wurde deutlich: Selbstwahrnehmung ist keine „weiche Zusatzkompetenz“, sondern eine neurobiologisch verankerte Voraussetzung für Lernen, Beziehung und Entwicklung – besonders unter Stress.
Die Teilnehmenden reflektierten sowohl ihr eigenes Wahrnehmungsverhalten als auch die Frage, wie sich einfache körperbasierte Techniken niedrigschwellig in den Schulalltag integrieren lassen. Ein erkenntnisreicher Einstieg in die Toolbox.
Laden Sie sich hier die Präsentationsfolien herunter:
Workshop 2: Selbstregulation – handlungsfähig unter Stress
Im Workshop mit Christian Gardt drehte sich alles um die Frage, wie Kinder und Jugendliche – und auch die begleitenden Fachkräfte – in belastenden Situationen in ihre Handlungsfähigkeit zurückfinden können.
Im Mittelpunkt standen praktische Methoden aus der BeSOS-Toolbox, die das autonome Nervensystem in kurzer Zeit beruhigen und regulieren. Die Übungen – körper- und mentalbasiert – sind einfach umsetzbar, wissenschaftlich fundiert und im Schulalltag erprobt: vor Prüfungen, in angespannten Klassensituationen oder als kurze Entlastung zwischendurch.
Neben dem praktischen Ausprobieren ging es auch um ein tieferes Verständnis dafür, warum Selbstregulation gerade unter Stress oft blockiert ist – und wie pädagogische Fachkräfte hier sinnvoll unterstützen können, ohne selbst auszubrennen.
Ein Workshop, der zeigte: Selbstregulation ist eine zentrale Fähigkeit zur Stabilisierung, Orientierung und Prävention – nicht nur für die Jugendlichen, sondern für das ganze System Schule.
Workshop 3: Früherkennung psychischer Belastungen – sicher reagieren im Schulalltag
Unter der Leitung von Isabell Hofmeister widmete sich der dritte Workshop der Frage, wie psychische Belastungen und erste Anzeichen seelischer Erkrankungen bei Jugendlichen früh erkannt und professionell eingeordnet werden können.
Die Teilnehmenden erhielten Einblick in die neue KOWA-Handreichung zur Früherkennung, die praxisnah aufzeigt, worauf pädagogische Fachkräfte achten können – körperlich, emotional und im Verhalten.
Anhand typischer Fallbeispiele wurden Unsicherheiten thematisiert: Was darf ich ansprechen – und wie? Wo liegen meine Grenzen? Und: Wie begleite ich, ohne zu pathologisieren?
Ein Workshop, der Mut gemacht hat, genau hinzuschauen – und dabei gut im eigenen professionellen Rahmen zu bleiben.
Die KOWA-Handreichung können Sie sich hier herunterladen.
Workshop 4: Beratung unter Druck – BeSOS in der beruflichen Orientierung
Im Workshop von Damian Peikert drehte sich alles um die Frage, wie Beratung auch dann gelingen kann, wenn Jugendliche emotional belastet oder kaum erreichbar sind – ein Szenario, das vielen Fachkräften aus der beruflichen Orientierung vertraut ist.
Ausgehend vom BeSOS-Modell wurden konkrete Tools und Haltungen vorgestellt, mit denen Fachkräfte auch in schwierigen Situationen im Kontakt bleiben, Orientierung geben und Selbstregulation anstoßen können – selbst in kurzen, verdichteten Beratungsmomenten.
Besonders wertvoll war der lebendige Austausch im Workshop: In konstruktiv-kritischer Diskussion wurden die Grenzen des Beratungssettings ausgelotet – aber auch das Potenzial sichtbar gemacht, das entsteht, wenn Fachkräfte mit Klarheit, Beziehung und Haltung agieren.
Workshop 5: BeSOS in der Schulkultur verankern – Vom Projekt zur Praxis
Der ganztägige Intensivworkshop unter der Leitung von Dr. Kristina Wopat und mit der Schulleiterin Antje Dombrowski als Gast aus der Praxis widmete sich der Frage: Wie gelingt es, BeSOS nicht nur als Projekt, sondern als Haltung in der Schulkultur zu verankern?
In lebendigem Austausch wurden Strukturen und nächste Schritte erarbeitet, um BeSOS langfristig wirksam werden zu lassen – ob über Steuergruppen, pädagogische Tage, kollegiale Formate, schulinterne Weiterbildung oder multiprofessionelle Teams.
Die Teilnehmenden sammelten viele konkrete Umsetzungsideen, u. a.:
Projekt in pädagogischen Tagen aufgreifen
kollegiale Fallberatung etablieren
Toolbox-Elemente im BO-Kontext oder in Teamberatungen einfließen lassen
Reflexionshilfen zur eigenen Haltung im Team einführen
Multiplikatoren ausbilden
Besonders im Fokus stand dabei der Umgang mit begrenzten Zeitressourcen, die Bedeutung einer verbindlichen Teamhaltung – und die Erkenntnis, dass kleine Impulse große Wirkung haben können, wenn sie kontinuierlich gesetzt werden.
Die dokumentierten Pinnwand-Ergebnisse zeigen: Die Motivation ist da – nun geht es darum, den Weg realistisch, kreativ und gemeinsam zu gestalten.
Abschließend bleibt festzuhalten:
Der BeSOS-Fachtag hat gezeigt, wie groß das Bedürfnis nach Orientierung, Austausch und wirksamen Werkzeugen im Umgang mit psychischer Belastung bei Jugendlichen ist. Noch wichtiger aber: Es gibt bereits viele gute Ideen, Menschen und Strukturen, um Veränderung zu gestalten.
BeSOS versteht sich als Einladung – zum Weiterdenken, Vernetzen, Ausprobieren. Wir freuen uns, diesen Weg mit Ihnen gemeinsam weiterzugehen.
Danke für Ihr Interesse, Ihre Offenheit und Ihre Bereitschaft, Schule als sicheren Ort mitzugestalten.
