Das Element Sinn- und Bedeutungserleben spielt eine zentrale Rolle in der Gestaltung motivierender und bereichernder Lernumgebungen. Es geht dabei nicht nur um die Vermittlung von Lehrinhalten, sondern vielmehr darum, Ihnen als Lehrkraft sowie Ihren Schülern die tieferen Werte und den Zweck hinter den täglichen Lernaufgaben aufzuzeigen.
Der Wind, der das Lernen trägt
Im BeSOS-Modell steht das Element Sinn & Bedeutungserleben für den Wind, der das Lernen und die persönliche Entwicklung antreibt. Ohne Wind bleibt ein Schiff auf dem Wasser stehen – und genauso fehlt es Schülerinnen und Schülern ohne Sinn und Bedeutung an innerem Antrieb, Motivation und Zielorientierung. Doch dazu braucht es gute Wetterbedingungen. Hier kommen Sie in der Rolle als Lehrkraft oder Beratender ins Spiel:

Warum ist Sinn & Bedeutung so wichtig?
Lernen geschieht nicht im luftleeren Raum. Ein Schüler kann sich Formeln, Daten oder Fakten einprägen – doch wenn er nicht versteht, warum das Gelernte für ihn wichtig ist, bleibt es lebloses Wissen ohne Bezug zur eigenen Welt. Studien zeigen, dass Schülerinnen und Schüler mit einem hohen Sinnempfinden:
- motivierter und engagierter lernen,
- größere Frustrationstoleranz aufweisen,
- ein gesünderes Selbstwertgefühl entwickeln,
- Wissen langfristig besser behalten.
Sinn ist also kein „nettes Extra“, sondern eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches Lernen.
Eine Lehrkraft kann Sinn nicht „einfach geben“. Sie kann niemanden „motivieren“ oder „begeistern“ – aber sie kann Bedingungen schaffen, die es Schülerinnen und Schülern erleichtern, Sinn selbst zu entdecken. Sie sorgt dafür, dass der Wind bläst.
Alltagsbeispiel
In einer 9. Klasse beginnt die Physikstunde zum Thema Stromkreise und Widerstand. Kaum wird das Thema eingeführt, meldet sich ein Schüler und fragt: „Warum muss ich das wissen? Ich werde doch kein Elektriker!“
Die Lehrkraft greift die Frage auf und stellt eine Gegenfrage: „Ist euch schon mal aufgefallen, dass euer Handy manchmal superschnell lädt und manchmal ewig braucht?“ Die Klasse wird aufmerksam – fast jeder hat diese Erfahrung gemacht. Die Lehrkraft erklärt weiter: „Das liegt an der Spannung, dem Widerstand und der Stromstärke – genau das, was wir heute lernen!“
Um den Zusammenhang greifbar zu machen, führt die Klasse den „Ladezeiten-Test“ durch:
- Schritt 1: Schüler messen die Ladegeschwindigkeit ihrer Smartphones mit verschiedenen Ladegeräten (z. B. Laptop-USB vs. Schnellladegerät).
- Schritt 2: Sie vergleichen die Daten: Warum lädt ein dünnes Kabel langsamer als ein dickes? Welche Rolle spielt der Widerstand?
- Schritt 3: Sie bauen eine einfache Schaltung mit einer Batterie und einer LED. Durch verschiedene Widerstände testen sie, wie sich der Stromfluss verändert – genau wie beim Laden eines Smartphones.
- Schritt 4: In einer abschließenden Diskussion überlegen sie, wie Strom & Widerstand nicht nur beim Handy, sondern im gesamten Alltag eine Rolle spielen.
Die Lehrkraft nutzt das Experiment, um physikalische Konzepte mit einem echten Problem aus der Lebenswelt der Jugendlichen zu verbinden.
Die Schüler erkennen: Physik ist nicht nur Theorie – sie steckt in jeder Sekunde unseres Alltags!
Hartmut Rosas Resonanzmodell: Die Welt muss antworten
Der Soziologe Hartmut Rosa beschreibt in seinem Resonanzmodell, dass Menschen dann Motivation und Sinn erleben, wenn sie das Gefühl haben, dass die Welt auf sie „antwortet“. Eine Welt, die stumm bleibt – etwa ein Unterricht, der sich nur auf Prüfungen konzentriert – führt zu Entfremdung. Eine Welt, die in Beziehung tritt, die inspiriert, fordert und einlädt, führt zu Resonanz.
Im schulischen Kontext bedeutet das: Lernen muss spürbar und relevant sein. Schülerinnen und Schüler sollten erleben, dass das, was sie lernen, mit ihnen selbst zu tun hat. Das geschieht, indem Lehrkräfte:
- Bezüge zur Lebenswelt herstellen: Warum ist dieses Wissen für dich persönlich wichtig?
- Partizipation ermöglichen: Wie kannst du selbst etwas entdecken oder ausprobieren?
- Emotionale Anknüpfungspunkte schaffen: Was löst dieses Thema in dir aus?
Sinn als bewegende Kraft
So wie ein Segler nicht den Wind erschafft, sondern Segel setzt und navigiert, können Lehrkräfte den Raum für Sinnhaftigkeit und Resonanz gestalten. Sie schaffen eine Atmosphäre, in der sich Schülerinnen und Schüler mit dem Lernstoff verbinden können – und damit ihre eigene Energie und Motivation freisetzen. Denn nur wenn der Wind weht, kann das Schiff wirklich Fahrt aufnehmen.
Warum Werte für Schüler eine zentrale Bedeutung haben
Die Auseinandersetzung mit persönlichen und gemeinschaftlichen Werten spielt eine zentrale Rolle bei der Bewältigung psychischer Belastungen sowohl bei Schülern als auch bei Lehrkräften. Dieser Prozess bietet nicht nur eine Orientierungshilfe im täglichen Handeln und in der Persönlichkeitsentwicklung, sondern trägt auch wesentlich zur psychischen Stabilität und und vor Allem zum persönlichen Sinn- und Bedeutungserleben bei.
Hier einige Schlüsselaspekte, die den Zusammenhang zwischen Wertearbeit und psychischer Belastung aus der Schüler-Perspektive verdeutlichen (vgl. Leitlinien für die Weiterbildung von Kindern und Jugendlichen, Bertelsmann Stiftung):
• Klarheit und Richtung: Fördert ein klareres Selbstbild und hilft bei konsistenten
Entscheidungen, was Unsicherheit und Stress mindert.
• Resilienz: Stärkt die Fähigkeit, in schwierigen Zeiten an eigenen Überzeugungen festzuhalten, und verbessert die Stressbewältigung.
• Konfliktprävention: Führt zu respektvollem Verhalten, Förderung mit Wertevielfalt und Wertekonflikten besser umzugehen.
• Sinnstiftung: Motiviert und engagiert durch die Verbindung zu persönlichen Werten, was das psychische Wohlbefinden stärkt.