"I’ve learned that people will forget what you said, people will forget what you did, but people will never forget how you made them feel." - Ich habe gelernt, dass die Menschen vergessen, was Sie zu ihnen gesagt haben; die Menschen vergessen, was Sie getan haben; aber sie vergessen nie, welches Gefühl Sie in ihnen ausgelöst haben.
Maya Angelou
Natürlich weiß jede erfahrene Lehrkraft, dass Unterricht weit mehr ist als die bloße Vermittlung von Fakten. Beziehungsgestaltung und Beziehungsarbeit gehören zum professionellen Selbstverständnis vieler pädagogischer Fachkräfte. Gerade deshalb lohnt es sich, den Aspekt der Beziehung bewusst in den Fokus zu rücken. In Zeiten, in denen der Druck auf Schule und Lehrkraft stetig zunimmt, ist es unerlässlich, sich der eigenen Rolle nicht nur als Wissensvermittler, sondern auch als “Beziehungsexpertin” bewusst zu werden. Auch wenn Beziehungsgestaltung schon lange zum Handwerk und professionellen Selbstverständnis von Lehrkräften und Pädagoginnen gehört, so ist das dazugehörige Fachwissen noch kein selbstverständlicher Anteil aller Curricula. Denn Beziehungsarbeit und Beziehungsgestaltung sind ein komplexes Handwerk, das auf hohen professionellen Standards und wissenschaftlichen Erkenntnissen gründet.
Denken Sie an die eigenen Lehrjahre zurück: Welche Lehrkräfte sind Ihnen in guter Erinnerung geblieben? Wer hat Ihre Berufswahl inspiriert? Wer hat Sie bei Zweifel oder Krisen unterstützt? Welche kleine Begegnung oder Begebenheit werden Sie “im Leben nicht vergessen”, weil sie Sie tief beeindruckt hat? – Vielleicht war es jemand, der Ihnen das Gefühl gab, ernst genommen zu werden. Vielleicht war es jemand, der Sie in ungeliebten Fächern motiviert und gefördert hat? Oder erinnern Sie sich an eine Begegnung, wo Sie als Person gesehen und wahrgenommen wurden, als es sonst niemand tat. Die Kraft der gelingenden Beziehung wirkt in den kleinsten Augenblicken und beiläufigsten Begegnungen. Erinnerungen an solche Augenblicke verbindet uns alle. Was macht diese Personen so prägend für unser Leben?
Auch die negativen Beziehungserfahrungen prägen uns ein Leben lang. Das können “ungeliebte Lehrerinnen” und “strenge Pauker” sein, von denen wir Ungerechtigkeit und Härte erlebt haben. Aber auch andere Menschen, die uns mit Kälte und Distanz begegneten, obwohl wir uns eine (andere) Beziehung zu ihnen gewünscht hätten. Oft prägen uns diese Begegnungen stärker, als uns bewusst ist – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Denn was wir uns von Beziehungen wünschen und wie wir auf Beziehungsangebote reagieren, hängt stark von den frühesten Erfahrungen ab, die wir zuhause in der Familie gemacht haben. Das gilt auch für Beziehungsabbrüche, Einsamkeit, Isolation und ähnliche Erfahrungen von “verunmöglichten” Beziehungserleben. Die Corona-Pandemie muss daher gegenwärtig besonders unter dem Aspekt von Beziehungserleben und Beziehungserfahrungen betrachtet werden, denn wie Rainer Holm-Hadulla es ausdrückt: “Kontakte sind Nahrung.“
Als Fachkräfte in Schule, Kita, Beratung und Ähnliches haben wir daher täglich die Chance, den Unterschied zu machen: Wir können für den Augenblick einer Begegnung oder einen Lebensabschnitt “die eine gelingende Beziehung” im Leben von Schülerinnen und Schüler sein, die “ein Leben lang” in Erinnerung bleibt. Denn unser Verhalten und unsere Beziehungsgestaltung haben direkten Einfluss auf die Biografie von jungen Menschen, da wir ihnen in einer verletzlichen und wegweisenden Phase im Leben begegnen. Für uns mögen es kleine Alltäglichkeiten sein; doch die uns Anvertrauten werden sich in Jahren an uns, unser Verhalten und unser Beziehungsangebot erinnern. Es ist eine zutreffende Lebensweisheit: Das, was wir vermitteln, wird dadurch bestimmt, wie wir es vermitteln. Das ist – im Sinne der weiter oben zitierten Maya Angelou – der Sinn unseres Merksatzes “Beziehung zuerst” oder “Beziehung geht vor (Wissen, Information, Inhalt, Kompetenz, etc.)”.
Ihre Präsenz im Klassenzimmer, die Art und Weise, wie Sie auf individuelle Bedürfnisse eingehen und wie Sie die Beziehungen gestalten, kann für Ihre Schüler ein Wendepunkt sein. Sie können Schülerinnen und Schüler so prägen, dass sie Selbstvertrauen entwickeln, Herausforderungen annehmen und sich gesehen fühlen – und manchmal sogar einen Weg einschlagen, den sie ohne Ihre Unterstützung nicht gegangen wären.
Kinder und Jugendliche leben von unmittelbaren Kontakten und dem körperlichen Austausch mit ihrer Umwelt. Wir wissen, dass ihre Intelligenz und Kreativität von körperlicher Resonanz und unmittelbarem Gesehen-Werden abhängig ist. Ihre neuronale Plastizität und psychische Flexibilität benötigt diese Nahrung. Was in dieser Lebensphase nicht gefühlt, gedacht und erlebt wird, kann später nur schwer nachgeholt werden. (Kontakte sind Nahrung, in: FAZ Nr. 297, 21.12.2020, S. 13)
Rainer M. Holm-Hadulla

Lehrkraft als Leuchtturm
„Stärkende Bildungsprozesse können die Entwicklung nur dann unterstützen und fördern, wenn Kinder sich sicher, geborgen und gut eingebunden fühlen.“ (Pauen 2024, 20f.)
Im Hafenmodell repräsentiert die Schule einen sicheren Ort, an dem Schülerinnen und Schüler wie Schiffe ihren Ankerplatz finden und alles erhalten können, was sie für die offene See brauchen. Denn wenn sie “Segel setzen”, begegnen Ihnen auf ihrem Weg Stürme, Untiefen und viele andere Herausforderungen, auf die sie sich vorbereiten müssen. Der Hafen ist dabei nicht nur der Ausgangspunkt einer gelingenden Reise; er ist auch der “sichere Hafen”, den man aus der Not heraus wieder ansteuern kann.
Als Lehrkräfte und Berater können wir der Leuchtturm in der Dunkelheit sein, der Orientierung und Sicherheit verspricht. Damit sind wir für die Schülerinnen und Schüler ein unverrückbarer Orientierungspunkt, der nicht nur den “sicheren Hafen” anzeigt, sondern auch die Küstenlinie, d.h. die Grenzen der sicheren Fahrwasser. Unsere Rolle geht dabei über das Vermitteln von Wissen hinaus – es geht um eine “Beziehungsökologie”, indem wir eine sichere Lernumgebung schaffen, die auf Sichtbarkeit, Präsenz und einer klaren Beziehungsgestaltung basiert. Sprichwörtlich bestimmen erkennbare und verstehbare Schifffahrtszeichen sowohl das eigene Fahrwasser als auch das gegenseitige Verhalten “auf See”.
Denn der Leuchtturm steht für die Verlässlichkeit einer unverrückbaren Haltung. Er symbolisiert nicht nur Orientierung, sondern verkörpert Beständigkeit auch im ärgsten Sturm; daraus folgt seine Autorität. Ihre ruhige, verlässliche und unbestechliche Präsenz gibt den Schülerinnen und Schülern, Klienten und Klientinnen das Gefühl von Sicherheit, besonders in stressigen Zeiten. Das ist entscheidend, wenn Lernende durch Unsicherheiten oder Stress in den Überlebensmodus geraten. Bei Sturm und rauer See orientieren wir uns an Fixpunkten; bei der Passage von unsicheren Gewässern, behalten wir die Küstenlinie fest im Blick.
Alltagsbeispiel
Ein Schüler kommt regelmäßig gestresst und unruhig in den Unterricht. Er scheint abwesend, reagiert gereizt und beteiligt sich nicht. Ihr erster Reflex könnte sein, ihn zu ermahnen oder ihn aufzufordern, sich zu konzentrieren. Doch als Leuchtturm wissen Sie, dass diese Reaktionen oft auf tiefere Unsicherheiten hinweisen. Statt Druck auszuüben, signalisieren Sie durch Ihre ruhige Präsenz, dass Sie ihn wahrnehmen und unterstützen. Vielleicht fragen Sie ihn nach der Stunde, wie es ihm geht, oder bieten ihm an, in einer ruhigen Ecke des Klassenzimmers einen Moment durchzuatmen.
Authentizität: Fundament von Vertrauen und gelingender Beziehung
Authentizität ist der Kern jeder guten Beziehung – und das gilt besonders im Klassenzimmer. Schülerinnen und Schüler spüren sofort, ob Sie als Lehrkraft wirklich hinter dem stehen, was Sie tun und sagen. Authentisch zu sein bedeutet, dass Sie sich nicht verstellen, sondern ehrlich und verlässlich agieren – Sie werden als fehlbare Person sichtbar. Diese Echtheit schafft Vertrauen und gibt den Lernenden Sicherheit. Ein anderes Wort für Authentizität kann daher Glaubwürdigkeit sein, die das wichtigste Fundament für Vertrauen ist. Angst aber – ob vor Fehlern, Zuständigkeiten oder Verantwortung – ist der größte Feind der Authentizität.
“Mensch bin ich und nichts Menschliches ist mir fremd.” (Terenz: Heauton Timorumenos/Der Selbstquäler)
In unserem Bild des Leuchtturms symbolisiert das helle und kraftvolle Leuchtfeuer diese Authentizität, die den Schülerinnen und Schülern Orientierung bietet. Fehlt es an Authentizität, wird dieses Leuchtfeuer schwächer und verliert an Strahlkraft und Klarheit. Die Schüler können sich nicht mehr auf ihren Weg konzentrieren und sicher ihren eigenen Kurs halten. Wir kennen das im eigenen Leben: Bei dichtem Nebel, schlechter Sicht und in “unbekannten Gewässern” ist sicheres und vorausschauendes Navigieren sehr schwer und anstrengend. Wir sind dann auf helle Leuchtfeuer angewiesen, an denen wir uns orientieren können, um nicht verloren zu gehen.
Durch eine glaubwürdige und verlässliche Präsenz strahlt unser Leuchtfeuer hell genug, um Lernenden auch in schwierigen Situationen den Kurs zu weisen. Wenn Sie authentisch sind, bleiben Sie der unverrückbare Fixpunkt, der ihnen zeigt, dass sie Ihnen vertrauen können – egal, wie stürmisch die See des Schulalltags ist. Denn der Leuchtturm weist nicht die “richtige” Richtung, sondern zeigt unmissverständlich an, wo er steht und wo er zu finden ist. In diesem Sinne ist der Leuchtturm für sein Leuchtfeuer und die Grenzen der “sicheren Fahrwasser” verantwortlich, nicht aber für die individuellen “Kurskorrekturen”. Denn vice versa ist auch der Kapitän für sein Schiff und seinen Kurs verantwortlich. Um im Bild zu bleiben: Gibt es Konflikte oder Unglücke auf See, ist es nicht der Leuchtturm und sein Wärter, die ausrücken. Vielmehr sind sie es, die Hilfesysteme aktivieren und die Seenotrettung und Küstenwache “rausschicken”. Denn auch Orientierungshilfen bleiben Hilfen – sie wirken orientierend und sind nicht die Orientierung selbst.

Alltagsbeispiel
Sicherlich haben Sie auch schon Tage erlebt, an denen Sie sich erschöpft oder weniger leistungsfähig gefühlt haben. Statt diese Gefühle zu unterdrücken oder sich zwanghaft “perfekt” zu verhalten, können Sie das den Schülerinnen und Schülern auf angemessene Weise mitteilen: „Heute bin ich nicht ganz so fit, aber wir machen das Beste daraus.“ Solche Äußerungen schaffen Nähe, weil sie zeigen, dass auch Sie ein Mensch mit Grenzen sind. Dadurch bauen Sie Vertrauen auf, und die Schüler spüren: Sie sind echt, und genau das gibt ihnen Sicherheit.
Ich möchte Leuchtturm sein
von Wolfgang Borchert
Ich möchte Leuchtturm sein
in Nacht und Wind –
für Dorsch und Stint,
für jedes Boot –
und ich bin doch selbst
ein Schiff in Not!
Präsenz, klare Grenzen und Autorität
In unserem Hafenmodell sind Sie als pädagogische Fachkraft der verlässliche Orientierungspunkt für Ihre Schülerinnen und Schüler. Ihre Autorität entsteht nicht durch laute Worte oder strenge Anweisungen, sondern durch eine ruhige, klare und beständige Kommunikation. Ziel ist es, Grenzen zu setzen, die den Lernenden Sicherheit bieten, ohne unnötigen Druck auszuüben. So schaffen Sie eine vertrauensvolle Lernumgebung, in der sich Ihre Schülerinnen und Schüler sicher und unterstützt fühlen.
Wenn es stressig wird – sei es durch Konflikte in der Klasse oder durch andere Herausforderungen im Schulalltag – kann es passieren, dass auch Sie in den Überlebensmodus geraten. In solchen Momenten, wenn Überforderung oder Gefühle der Ohnmacht überwiegen, neigt man leicht dazu, auf autoritäre Haltungen zurückzugreifen: Kontrolle, Macht und Strenge rücken in den Vordergrund. Das passiert oft ganz automatisch, weil wir versuchen, die Kontrolle wiederzuerlangen. (Kontrollrestauration) Doch diese Reaktionen schaffen eher Distanz als Verbindung und entsprechen nicht den Bedürfnissen von Schülerinnen und Schüler, die ihrerseits nach Selbstwirksamkeit und Selbstwertschutz streben.
Konflikte im Schulalltag gehören sicherlich zu den stressigsten Momenten, und viele Lehrkräfte kennen die Erschöpfung, die sich daraus ergibt. Es ist daher wichtiger denn je, sich zu fragen, wie wir eine positive und ruhige Lernatmosphäre schaffen können. Denn in einer sicheren Umgebung, einem Gewebe aus wertschätzenden Beziehungen und verlässlichen Resonanzräumen, gibt es sowohl mehr Ressourcen für Konfliktlösung als auch weniger schwere Konflikte.
Eine Schlüsselfrage ist daher, wie Sie als Lehrkraft oder Beratungsfachkraft dazu beitragen können, dass Ihre Schülerinnen und Schüler den Überlebensmodus verlassen und (wieder) zur Ruhe finden. Wie erreichen wir es, dass das Klassenzimmer ein Ort der Sicherheit und Entspannung wird?
Schülerinnen und Schüler suchen nach Vertrauen, Sicherheit, Orientierung und einem Gefühl der Unterstützung. Wenn Sie als Lehrkraft diese Werte verkörpern, schaffen Sie eine Beziehung, die auf Vertrauen basiert. So gelingt es ihnen, aus dem Überlebensmodus herauszutreten und sich wieder auf das Lernen einzulassen.
Es geht nicht darum, perfekte Lösungen zu haben, sondern darum, bewusst auf Ihre Präsenz und den Beziehungsaufbau zu setzen. Ihre Ruhe und Gelassenheit haben eine immense Wirkung auf das Klima in der Klasse – und genau das macht den Unterschied.
Alltagsbeispiel
Ein Schüler wirft genervt seinen Stift quer durchs Klassenzimmer. Sie gehen ruhig auf den Schüler zu und sagen freundlich, klar und bestimmt: „Das ist nicht okay! Bitte heb den Stift auf!“ Danach geben Sie ihm ruhig die Gelegenheit, zu erklären, was los ist.
So zeigen Sie Präsenz und setzen klare Grenzen, ohne die Situation eskalieren zu lassen. Die Botschaft, die Sie senden, ist klar: „Ich habe die Kontrolle über den Raum, und ich sehe, was hier passiert. Aber ich möchte Dich auch verstehen.“ Auf diese Weise bewahren Sie die Beziehung zu dem Schüler und ermöglichen gleichzeitig, dass er sich gehört fühlt, ohne das störende Verhalten zu akzeptieren.
Übrigens: Auch hier verstehen wir Beziehung sowohl auf der neurowissenschaftlich-zwischenleiblichen Ebene als auch auf einer personal-zwischenmenschlichen Ebene. Wenn “Selbstregulation” und “Koregulation” das Resultat sind, dann ist “Beziehung” das Mittel. Denn das, was wirkt, sind wir als verkörperte Person. Wir setzen nicht unseren “Körper” als ein “Mittel” ein, um mit dem “Gehirn” in meinem Gegenüber Verbindung aufzunehmen, sondern wir setzen uns uns selbst als Person ein, um in Verbindung mit einer anderen Person zu kommen. Daher ist mit Beziehung ist sowohl die Interdependenz (Wechselwirkung) von Subjekt und Umwelt, Organismus und Umgebung gemeint, als auch die Intersubjektivität von “Ich” und “Du”. Die biologische Argumentation für gutes Lernen: “Überzeugen Sie die Relevanzprüfung des limbischen Systems!”, die psychologische Argumentation: “Lernen ist die kreative Verknüpfung von Bekanntem zu Neuem!” und die soziale Argumentation: “Was Lernstil, Lernkultur, Lernsetting und Lernbiografie gemeinsam haben, bin ich.” sind einander ergänzende und aufeinander bezogene Aspekte. Mit anderen Worten: “Beziehung” resultiert aus der dynamischen Interdependenz der verschiedenen Aspekte des “biopsychosozialen Modells” (Beushausen 2024, Fuchs 2023). Positive und sichere Beziehungen im Klassenzimmer fördern also nicht nur das soziale Miteinander, sondern steigern direkt die Lernmotivation, Lerneffizienz und erhöhen die Offenheit und Kreativität der Schüler für neue Inhalte. Wir können daher festhalten, dass beides stimmt: Lernen ist Beziehung und Beziehung ist Lernen. Genauer: So wie unsere Beziehungserfahrungen das sind, was wir in Beziehungen über Beziehungen gelernt haben; so sind unsere Lernerfahrungen die Summe aus Aufeinander-bezogen-sein (interpersonal-interaffektive Beziehung) und dem Bezogen-sein (geteilte Intentionalität) auf den gemeinsamen Gegenstand des Lernens, Wissens und Forschens.
Mit anderen Worten
Es ist nicht die Frage, ob Sie Beziehungen zu Ihren Schülerinnen und Schülern aufbauen – das tun Sie in jeder Interaktion. Entscheidend ist, diese Beziehungen bewusst zu gestalten und nicht dem Zufall zu überlassen.
Als Lehrkraft oder Beraterin sind Sie der Leuchtturm, der den Schülerinnen und Schülern auf ihrer Reise Orientierung gibt. Das Verständnis für die neurobiologischen Prozesse hinter dem Überlebensmodus verändert, wie Sie als Lehrkraft Beziehungen gestalten und wahrnehmen (im Klassenzimmer oder an Ihrem Arbeitsplatz). Die Kenntnisse der physiologischen und emotionalen Aspekte unseres Verhaltens verändern die eigene Wahrnehmung und Reaktion auf unsere Umgebung; sie erweitern dadurch nicht nur unser eigenes Verhaltensrepertoire, sondern beeinflussen direkt das Verhalten unserer Mitmenschen (Co-Regulation).
Ein Verständnis für die physiologischen Grundlagen unseres Verhaltens führt zu Empathie und einem bewussten Umgang mit Konflikten und Herausforderungen im Klassenzimmer.
Verständnis für Stressreaktionen: Wenn Sie wissen, dass ein Schüler nicht “nicht will”, sondern “nicht kann”, weil sein Gehirn in den Überlebensmodus geschaltet hat, ändern sich Ihre Erwartungen und Ihre Reaktion. Anstatt auf Sturheit oder Ungehorsam zu reagieren, können Sie gezielte Schritte unternehmen, um den Schüler emotional zu stabilisieren und wieder für das Lernen verfügbar zu machen. Das Reptiliengehirn arbeitet autonom und nicht intentional.
Beruhigende Präsenz und Co-Regulation: In stressigen Momenten reagieren Schülerinnen und Schüler stark auf die emotionale Präsenz ihrer Lehrkraft. Ihre eigene Ruhe und Klarheit hilft ihnen, aus dem Überlebensmodus herauszukommen. Sie schaffen eine sichere Atmosphäre, in der sich die Schüler emotional stabilisieren können. Diese Co-Regulation – also die gegenseitige Beeinflussung emotionaler Zustände – wirkt wie ein Anker in stürmischen Situationen und stärkt das Vertrauen in die Beziehung.
Förderung einer stressfreien Lernumgebung: Wenn Schülerinnen und Schüler wissen, dass sie in einem sicheren, unterstützenden Raum sind, in dem Fehler erlaubt sind und Stress minimiert wird, können sie ihr volles Lernpotenzial ausschöpfen. Ein vertrautes, angstfreies Klassenklima lässt sie sich auf den Lernstoff einlassen, anstatt gegen innere Ängste anzukämpfen.
Literatur zum Thema: Hadwin, A., Järvelä, S., & Miller, M. (2018). Self-regulation, co-regulation, and shared regulation in collaborative learning environments. In D. H. Schunk & J. A. Greene (Eds.), Handbook of self-regulation of learning and performance (2nd ed., pp. 83–106). Routledge/Taylor & Francis Group. https://doi.org/10.4324/9781315697048-6
