BeSOS erklärt - Was passiert bei Stress oder Belastung

Vielleicht kennen Sie das aus Ihrem Unterricht: Ein Schüler sitzt vor der Arbeit und plötzlich ist alles weg – Blackout. Oder eine Schülerin reagiert auf eine Kleinigkeit mit Wut oder Rückzug. Auch Sie selbst spüren vielleicht manchmal, dass die Anspannung so groß wird, dass Sie kaum noch klar denken können und nur noch „funktionieren”. All das hat eine gemeinsame Ursache: Unser Gehirn reagiert bei hoher Belastung mit einem uralten Überlebensprogramm.

Der Hirnstamm, bei BeSOS das „Krokodil-Hirn” genannt, ist der evolutionär älteste Teil unseres Gehirns. Er regelt völlig autonom überlebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzschlag und Blutdruck. Gerät der Körper in Stress, übernimmt dieses System die Kontrolle: Puls und Atmung beschleunigen sich, der Blutdruck steigt, Stresshormone werden ausgeschüttet – der Körper macht sich bereit, das „nackte Überleben” zu sichern.

Er kennt drei Reaktionen: Kampf, Flucht oder Erstarrung.

Wenn Kinder und Jugendliche in den biologischen Überlebensmechanismus fallen, können sie nicht lernen, merken sich sehr viel weniger, können nicht komplex denken und keine wichtigen Entscheidungen treffen.
Im Überlebensmodus sind sie außerhalb der Reichweite pädagogischer Interventionen!

Aber auch Erwachsene können bei anhaltender und hoher Belastung in den biologischen Überlebensmechanismus verfallen. Bei Fachkräften geht dann als erstes die Fähigkeit verloren, eine pädagogische Beziehung zu gestalten. Das Arbeiten im Überlebensmodus drückt sich häufig durch die Ausübung von Macht und Autorität aus.
Auf Dauer greift dieser Zustand die Gesundheit an!

Das Problem: Damit der Hirnstamm schnell reagieren kann, werden andere Gehirnareale ganz oder teilweise „abgeschaltet”. Der Neokortex, zuständig für Sprache, logisches Denken und Reflexion, ist kaum erreichbar – rationales Nachdenken oder Lernen wird unmöglich. Auch Teile des limbischen Systems, wichtig für Beziehungsgestaltung und Empathie, schalten in den Alarmzustand.

Unser Gehirn unterscheidet dann nicht mehr, ob es sich um einen Säbelzahntiger oder eine Mathearbeit handelt – beides fühlt sich gleich gefährlich an! In diesem Zustand geht es nur noch ums Durchhalten und Überleben. Wie wir reagieren, liegt dabei nicht in unserer bewussten Kontrolle, sondern wird von genetischen und kulturellen Voraussetzungen sowie unseren bisherigen Erfahrungen beeinflusst. In einfacher Form lassen sich diese Reaktionen in drei Grundmuster unterscheiden:

Überlebensmodi

Typische Muster bei Kindern und Jugendlichen:

  • Kampf: Wutausbrüche, Provokationen, Aggressivität.
  • Flucht: Vermeidung, Weglaufen, innere Abwesenheit.
  • Erstarrung: Schweigen, Bewegungsstarre, Blackout.

Um Ihnen die Einführung dieser neurobiologischen Grundlagen im Unterricht zu erleichtern, haben wir eine exklusive didaktische Filmreihe gestartet. Schauen Sie sich gleich hier den ersten Teil der “BeSOS Crew” an:

Das “Krokodil im Kopf”

Im Überlebensmodus ist das Denken wie „ausgeknipst” und starke Gefühle überwältigen uns. Das ist aber keine Fehlfunktion, sondern eine bewährte Überlebensstrategie. Wir nennen es das „Krokodil im Kopf“, denn diese Strategie des „Reptiliengehirn” ist ein nützliches Erbe der Evolution. Darum ist der Überlebensmodus auch „ansteckend”! Wie ein überspringender Funke geht er auf andere über und kann in Sekunden einen ganzen Raum erfassen – eine ganze Klasse.

Denn wir sind „soziale Wesen” und auf unsere Gruppe angewiesen.

Krokodil im Kopf

Was bedeutet das für Sie?
Auch Erwachsene haben ihr Krokodil im Kopf. Wenn die Klasse unruhig wird, reagiert auch Ihr eigener Hirnstamm auf Lärm, Bedrohung, Ängste und Aggressionen – und plötzlich steht nicht mehr der kluge Verstand am Steuer, sondern das „Krokodil im Kopf”. Genau hier entscheidet sich, ob die Situation eskaliert oder sich beruhigt.

Ko-Regulation bedeutet: Sie nehmen Ihren Überlebensmodus bewusst wahr und behalten trotzdem das Steuer in der Hand. Ihre Ruhe, Ihre Stimme, Ihr Atem wirken wie Leuchtfeuer der Sicherheit, an denen sich Kinder und Jugendliche orientieren. Gelingt es, Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen (Selbstregulation), kann sich jeder in der Gruppe selbst regulieren. Auch Ruhe und Gelassenheit sind ansteckend!

Warum das Bild so stark ist

Das „Krokodil im Kopf“ ist für Kinder und Jugendliche greifbar. Sie verstehen sofort: Mein Krokodil ist ein guter Verbündeter – und ich kann lernen, es zu zähmen. Das Bild lindert die Scham, weil es zeigt: Nicht ich bin falsch – mein Krokodil macht einfach Alarm. Und das gibt Hoffnung! Denn ich verstehe: Wenn ich weiß, dass mein Krokodil da ist, kann ich lernen, es zu beruhigen und wieder selbst das Steuer übernehmen.

Merksätze

Das Schiff und die Reise ins Leben – Orientierung finden

Um den Zusammenhang von Selbstregulation und Orientierungsfähigkeit zu veranschaulichen, nutzen wir bei BeSOS die Metapher vom Segelschiff. Ein Schiff ist nie statisch, sondern immer in Bewegung! Ob von ruhiger See getragen oder durchgeschüttelt von Sturm und Wellengang, es braucht auf hoher See viele Fertigkeiten. Damit symbolisiert die Schiffsreise das Leben selbst mit all seinen Unwägbarkeiten und Herausforderungen. Wir begreifen Schule als jenen „sicheren Hafen”, in dem diese Reise beginnt und junge Menschen selbstbewusst „in See stechen” können.

Steuerrad

Das Schiff erfüllt dabei zwei Aufgaben: Es zeigt uns, wo wir uns im Überlebensmodus befinden, wenn wir uns in die Kajüte zurückziehen und kaum noch handlungsfähig sind. Und es dient als eigenständiges Resilienzmodell für Kinder und Jugendliche, um zu verstehen, welche Kräfte und Fähigkeiten notwendig sind, um Kurs zu halten, Orientierung zu gewinnen und wieder ins Handeln zu kommen.

Besonders stark ist dieses Bild, weil es nicht abstrakt bleibt, sondern die Vorstellungskraft aktiviert: Jede und jeder kann sich vorstellen, an Bord zu sein, das Steuer zu ergreifen und den Wind in den Segeln zu spüren.

Das Schiff steht damit nicht nur für Sicherheit und Selbstwirksamkeit, sondern auch für Abenteuer und Aufbruch.

BeSOS Schiff

Die einzelnen Elemente unserer BeSOS Schiffsmetapher werden in der folgenden zweiten Episode der “BeSOS Crew” bildhaft erklärt:

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